Miete_Steinmann | Wednesday, der 26. February 2014
„Ich bin eine Frau, gefangen im Körper eines Mannes“, sagt Mia von sich selbst. Nicht viele Serienfiguren können das von sich behaupten, geschweige denn Hauptfiguren, deshalb sei an dieser Stelle die kühne These aufgestellt, dass HIT & MISS – zu sehen auf realeyz.tv – die erste TV-Serie mit einer transsexuellen Heldin ist. Doch sie ist mehr als das. Abends begeht Mia (Chloe Sevigny) Auftragsmorde, um sich die Geschlechtsumwandlung zu finanzieren. Denn noch ist sie rein physisch nicht ganz Frau: der Oberkörper ist weiblich, der Unterleib männlich. Später wird Mia deshalb in ihrem Liebesleben noch einiges von aggressiven Männern zu erleiden haben.
Doch in der ersten Folge der sechsteiligen Serie, die „Networkedblogs“„brutal und provokativ“ und das Branchenblatt „Variety“ „straff und fesselnd erzählt“ nennt, erhält Mia eine (Hiobs-)Botschaft, die ihren Alltag verändern wird: Sie erfährt, dass sie einen elfjährigen Sohn hat, Ryan. Gezeugt hat sie ihn damals als Mann, als sie noch mit ihrer Lebensgefährtin zusammen war. Doch diese hat nach ihrem Krebstod ausgerechnet Mia als Vormund für Ryan und ihre anderen Kinder eingesetzt. Sich auf einem abgeschiedenen Bauernhof in dem eingespielten Haushalt von vier Kindern bzw. Halbwüchsigen durchzusetzen, überfordert Mia zunächst.
Die vier Geschwister, allen voran die beiden Teenager, begegnen Mia mit unverhohlenem Misstrauen, ja mit Ablehnung. Auch Mia kann mit der Situation nicht umgehen, und sei es nur durch die numerische Überlegenheit der anderen. Diese akzeptieren Mia erst dann als Autoritätsperson, als sie ihre – im wahrsten Sinne des Wortes – schlagkräftige Facette ausspielt. Agiert Mia als Auftragskillerin zuverlässig und emotionslos, erweist sie sich im zivilen Leben als eher konfliktscheu. Erst als ihr leiblicher Sohn Ryan von einem älteren Jungen belästigt wird und auch dessen Brutalo von Vater, John (Vincent Regan), dem das Bauernhaus gehört, der Patchworkfamilie mit Rausschmiss droht, teilt sie aus: mit gekonnten Schlägen und Tritten, die John blutend am Boden zurück lassen.
Für genügend Konfliktstoff ist in HIT & MISS also gesorgt, und so weiß die Pilotfolge die ungewöhnliche Ausgangssituation überzeugend auszubauen. Später werden sich der brachiale John und Mia samt Anhang noch einige Duelle liefern, doch auch professionell wird nicht alles so laufen, wie sie es sich wünscht. HIT & MISS haftet etwas sehr Düsteres an – nicht umsonst spielen die Mordszenen meistens nachts. Die Gefühlsebene ihrer Protagonisten behandelt die Serie aber sehr realistisch und wartet dabei auch mit mit sanfteren Momenten auf, vor allem in der Annäherung zwischen Mia und Sohn Ryan. So präsentiert sich die von „Sky Atlantic“ produzierte britische Serie als originell, atemberaubend und anrührend und hat in ihrer Heldin Mia eine fehlbare Frau (MISS), die austeilen kann (HIT) – das macht sie zugleich einzigartig und gewöhnlich.
Miete Steinmann