Kill Me Please

     |    Tuesday, der 2. June 2015
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Ein abgeschiedenes Château ist die letzte Ruhestätte für Dr. Krugers Patienten. Denn seine Klinik ist eine Sterbeanstalt de luxe: Lebensmüde Personen – offiziell leiden sie an einer Krankheit im Endstadium – können dort für ein (un)bestimmtes Sümmchen ihren Tod à la carte gestalten. Manche verlangen eine fesche Studentin, manche nur ihr Lieblingsmenü als letzten Wunsch und dann entschlummern sie dank Dr. Krugers Zaubergifttrunk sanft ins Jenseits. Oder kommt es doch ganz anders? Olias Barcos schwarze belgische Komödie ist eine böse Satire auf die assistierte Sterbehilfe und hinterfragt unsere (Sterbe-)Moral sowie den Stellenwert des Lebens.

Dies ist ein Film, der keine Gefangenen macht: Hier wird im Fünfminutentakt gestorben und das nicht nur keines natürlichen, sondern auch eines sehr abwechslungsreichen Todes. Es beginnt mit einem Künstler, der sich mit einer Toilettenbrille die Pulsadern aufschlitzt, als Dr. Kruger (Aurélien Recoing) dem eigentlich nur Liebeskranken die Sterbehilfe verweigern will. Dann verbringt ein älterer Herr noch einige schöne Momente mit einer jungen Frau, bevor ihn das Todeselixier des Dr. Kruger in die ewigen Schlafgründe befördert.

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Eine Patientin will vor ihrem Tod noch die Marseillaise schmettern, ein anderer Kranker wie beim Paintball erschossen werden, nur mit echten Kugeln. Doch dann bringt eine Beamtin der Finanzbehörde den Klinikalltag durcheinander. Zudem verübt ein mysteriöser Schütze Attentate auf die Anstalt und ihre Insassen. Damit macht er nicht nur deren hübsch erdachte Sterbeszenarien zunichte. Schlimmer noch, er weckt den Überlebensinstinkt der Todeskandidaten.

Als es ihnen nämlich an den Kragen geht, ist ihnen das Leben auf einmal teuer. Außerdem erwachen nun seltsame Triebe in den Patienten. Stritten sie sich davor noch, wer als Erster sterben dürfe, entpuppen sie sich bald selbst als ziemlich erfinderische Mörder und fangen an, sich gegenseitig zu dezimieren.

Ist medizinisch assistierter Selbstmord moralisch vertretbar? Was für eine Rolle spielen Ärzte in der Prozedur, und ab wann ist ein Mensch bereit zu sterben? Diese Fragen der allgemeinen Moral wirft der Film unter seiner schwarzhumorigen und absurden Fassade auf. Zwar gibt sich Dr. Kruger alle Mühe, das Sterben so kontrolliert und human wie möglich zu gestalten, doch dass dies kaum gelingen kann, macht der Film durch seine exaltierte Übertreibung deutlich.

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Dabei erscheinen die Ablebewilligen allesamt als Egoisten, die sich im Sterben- und später im Lebenwollen alle gegenseitig übertrumpfen. Die mysteriösen Erschießungen der Anstaltsinsassen durch externe Dorfbewohner mögen eine Ablehnung von Sterbehilfe durch die Gesellschaft darstellen. Doch auch die scheinbar hehren Ziele des Anstaltsleiters sind eindeutig von materiellen Interessen geprägt. Den wahren Wert des Lebens, und sei dies auch noch so schmerzvoll, wissen die Menschen offenbar erst dann zu schätzen, wenn es bedroht ist. Dass die Protagonisten in der Gefahrensituation nicht zusammenhalten, sondern einander zu Todfeinden werden, sagt wohl einiges über das Menschenbild von Regisseur und Drehbuchautor Olias Barco aus.

Dass er seinen Stoff als unterhaltsame Farce mit allerlei extravagantem Personal gedreht hat, ist dabei nur eines der Verdienste dieses originellen und konsequenten Filmexperiments.

Kira Taszman

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