GOOD – Vom Mitläufer zum Täter

     |    Tuesday, der 9. September 2014

GoodWie wird ein Mensch im NS-Deutschland zum Nazi? Indem er sich zu allem überreden lässt, einen kleinen Kompromiss nach dem anderen schließt und keinen Widerstand leistet. So stellt es jedenfalls das Drama GOOD von Vicente Amorim dar. Dabei geht es in GOOD nicht um einen Sadisten, Eiferer oder Ideologen, sondern um einen ganz normalen Deutschen, einen Mitläufer, aus dem ein Täter wird.

John Halder (Viggo Mortensen) ist Literaturprofessor. Am liebsten würde er sich ausschließlich seinen Büchern widmen, wäre da nicht seine komplizierte Familiensituation. Seine Frau hat psychische Probleme und seine Mutter leidet an Demenz. So hat Halder privat alle Hände voll zu tun. Um Politik schert er sich wenig. Zwar beteuert er, etwas gegen die Bücherverbrennungen tun zu wollen, die ab 1933 im Hof seiner Universität von den Nazis umgesetzt werden. Doch agieren tut er dann doch nicht. Die Passivität ist sein Lebensprinzip. Auch vor der immer prekärer werdenden Situation seines jüdischen Freundes Maurice Glückstein (Jason Isaacs) verschließt Halder die Augen.

Nachdem sein Roman, in dem er einen so genannten „Gnadentod“ beschreibt, in den ein Mann seine todkranke Frau schickt, von den Nazis als Argumentationsgrundlage für ihr Euthanasieprogramm missbraucht wird, geht es mit Halder bergauf. Er wird befördert, tritt in die SS ein (das sei nur ein Ehrentitel, tröstet er sich selbst) und zieht mit seiner hübschen, pro-nationalsozialistischen Ex-Studentin Anne zusammen – später ins Haus eines enteigneten Juden.

GoodGOOD handelt davon, wie ein intelligenter, aber schwacher Mensch sich willentlich verführen lässt – von Versprechungen gewiefter Schmeichler und vom Geld – und es nie gelernt hat, Nein zu sagen. Allmählich haben er und Maurice, der immer mehr die Folgen der perfiden Nürnberger Gesetze zu spüren bekommt, sich immer weniger zu sagen. Schließlich fleht Maurice seinen alten Kriegskameraden Halder an, ihm ein Ticket nach Paris zu kaufen, doch auch hier versagt Halder. Als er es schließlich doch schafft, ist es zu spät.

Wie Halder bei der Reichspogromnacht in SS-Uniform inmitten von Zerstörungswut und brennenden Synagogen nach Maurice sucht, hat etwas Surreales an sich. Der Ausspruch von Maurice – „Ich bin ein Jude, du bist ein Nazi.“ – bewahrheitet sich.

GoodZu spät begreift Halder, was tatsächlich um ihn herum geschieht. Dabei macht der Film die Schuld, die eine große Mehrheit von Deutschen in Nationalsozialismus auf sich geladen hat, an einem sanften, „guten“ Menschen fest, keinem Neider, Schläger oder Dogmatiker. Wie der Opportunist und Karrierist Halder gegen sein Gewissen handelt und wie dieser schleichende Prozess geradezu in die Katastrophe führt, zeigt das Drama GOOD auf. Besonders sehenswert sind dabei die Rededuelle zwischen zwei exzellenten Schauspielern: Viggo Mortensen als labilem Halder und Jason Isaacs als zunächst ironisch-zynischem, dann gebrochenen Maurice. In den konträren Schicksalen dieser repräsentativen Figuren offenbart sich nachvollziehbar das düsterste Kapitel deutscher Geschichte.

Kira Taszman

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