Kira_Taszman | Thursday, der 25. June 2015
Es gibt zwei Cindys in der Klasse des Schönefelder Gymnasiums. Cindy 1 ist schlank, attraktiv, aber bösartig. Und Cindy 2 – die Heldin des Films – ist einfach nur die Dicke. Eigentlich sind Cindy 1 und Cindy 2 befreundet, denkt jedenfalls Cindy 2 (ein vielversprechender Newcomer: Julia Jendroßek). Doch spätestens nachdem die eingebildete und scheinheilige schöne Cindy die vollschlanke Außenseiterin der Klasse einem fiesen Cyber-Mobbing aussetzt und sie somit erneut zum Gespött ihrer Mitschüler macht, zieht Cindy 2 die Konsequenzen und beendet den Kontakt.
In ihrer Familie erhält sie allerdings auch keine seelische Unterstützung. Der Vater zieht sie wegen ihres Übergewichts auf und schimpft sie auch schon mal einen „Rosinenbomber“, und auf die schwache Mutter kann sie auch nicht zählen. Der Einzige, auf den in Cindys Leben Verlass ist, ist ihr Kindheitsfreund und Nachbar Danny (sehr überzeugend: Daniel Sträßer). Auch er ist ein Außenseiter, versteckt seinen Weltschmerz aber in schwarzem Humor und Provokation. Doch als Danny zum Kriegsdienst in Afghanistan abberufen wird, greift Cindy zur Selbsthilfe. Sie beginnt eine Affäre mit einem finnischen Ingenieur, der auf dem Flughafengelände arbeitet. Auch sonst gibt sie immer weniger auf die Meinung anderer und blüht geradezu auf…
Pummelige Heldinnen gibt es im Kino einige, und auch Cindy muss so einiges an Gemeinheiten einstecken. Doch wie die Heldin sich selber aus dem missgünstigen Kleinstadtsumpf herauszieht, macht Spaß anzuschauen. Dabei ist es weniger der etwas altkluge Off-Kommentar der Protagonistin als die Bilder und menschlichen Beziehungen, die überzeugen. Wenn Cindy und Danny an ihrem morbiden Lieblingsort, dem Friedhof, abhängen und sich deftige verbale Schlagabtausche liefern, spürt man, dass sich hier zwei verletzte Seelen gegenseitig Beistand leisten.
Auch auf der Riesenbaustelle des BER-Flughafens – Sinnbild für Fehlplanung und Stillstand – sieht man die beiden wandeln. Cindy wird den Ausstieg aus ihrer tristen Existenz schaffen – Danny nicht. Regisseurin Sylke Enders zeichnet in beiden widersprüchliche und lebendige Figuren, an denen man sich stößt und mit denen man sympathisiert. Dass ausgerechnet Cindy sich zu einer Draufgängerin in Sachen Liebesdingen entwickelt – auch einem jungen Koreaner hat sie es angetan – ist eine der angenehmen überraschenden Entwicklungen des Films. Zwischendurch gibt es zwar auch den einen oder anderen demonstrativen Moment, aber die Balance zwischen komisch und tragisch gelingt. So ist SCHÖNEFELD das anrührende Porträt einer Heranwachsenden, die mit Courage und Optimismus ihr Leben selbst gestaltet und sich von einer 2 zu einer vollwertigen 1 entwickelt.
Kira Taszman