Beziehungs-Dreier im Schloss: FAMILIENFIEBER

     |    Friday, der 11. April 2014

Die Macken und Launen des Partners nach mehreren Jahrzehnten Ehe immer noch zu ertragen, ist für etliche Paare eine Herausforderung. Im Kino wird die Darstellung von Langzeitbeziehungen mit all ihrer Routine und dem gegenseitigen Genervtsein gern durch Szenen des Ehebruchs belebt. So auch in FAMILIENFIEBER, dem mittlerweile vierten Spielfilm des jungen Regisseurs Nico Sommer. Ab dem 12.4. zeigt realeyz.tv die Beziehungs-Tragikomödie exklusiv und gratis online, in Kooperation mit dem Berliner Filmfestival „achtung berlin“.
Uwe (Peter Trabner) und Maja (Kathrin Waligura) leben in einem Plattenbau und sind seit Ewigkeiten verheiratet. Birgit (Deborah Kaufmann) und Stefan (Jörg Witte), auch sie seit vielen Jahren zusammen, sind betuchter und haben ein Schloss im Brandenburgischen erstanden. Was Uwe und Birgit nicht wissen: Maja und Stefan haben seit vier Monaten eine Affäre. Die hätten sie auch noch einige Zeit sorglos weiterführen können, wären da nicht ihre jeweiligen Kinder. Denn Alina, die Tochter von Uwe und Maja, und Nico, der Spross von Birgit und Stefan, sind ebenfalls ein Paar. Als sie ihre Eltern auf einen Kennenlern-Abend ins Schloss berufen, treffen die beiden Ehebrecher unvorbereitet aufeinander. Das Stelldichein wird fortan von Heuchelei, Gewissensbissen und Ahnungslosigkeit beherrscht. Auch das junge Paar Alina und Nico hat etwas zu verbergen. Als Uwes klapperige Karre abends streikt, müssen er und Maja wohl oder übel die Nacht im Schloss verbringen – und der Film steuert auf seine konfliktreiche Katharsis zu…
Dass es in FAMILIENFIEBER nicht immer bierernst zugeht, liegt auch an der Machart des Films. In nur sieben Tagen gedreht und auf einem dreiseitigen Skript basierend, setzen Sommer und seine Darsteller viel auf Improvisation. Doch eine komplette Freiheit für die Schauspieler habe nicht bestanden, betont Sommer. Er habe die grobe Charakterisierung der Figuren mit seinen Darstellern im Vorfeld festgelegt. Dass genügend Improvisationsraum bleibt, merkt man vor allem dem wie immer frisch aufspielenden Peter Trabner an, einem Stammgast von „achtung berlin“, der bereits in Axel Ranischs „Dicke Mädchen“, Aron Lehmanns „Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ oder Sommers Vorgänger „Silvi“ glänzte.

Die Männer in FAMILIENFIEBER sind Feiglinge (Stefan) und jammernde Weicheier (Uwe), während Maja und Birgit die Wahrheit der Vertuschung vorziehen, trotz schlechten Gewissens und Schmerzes. Erzählt wird die Tragikomödie in Kapiteln, ein weiteres verfremdendes Stilmittel stellen Interviews der Figuren dar, die sie mit einer Videokamera filmen. So soll die Aufklärung, und womöglich auch Aussöhnung, befördert werden. Davor und danach kommt es immer wieder zu kleinen komischen Beobachtungen und Charakterstudien, wenn sich Uwe ausgerechnet an der Schulter seines Konkurrenten ausheult oder beide Männer Porsche fahren – auch wenn es sich bei dem Gefährt nur um einen Traktor handelt.
Sein niedriges Budget sieht man FAMILIENFIEBER nicht an. Der Film nutzt für seine realistische Atmosphäre geschickt natürliches Licht. Die sorgfältig renovierten Räume des Schlosses bilden eine geschmackvolle Kulisse für ein gedämpfteres Ambiente, während sich draußen im Garten heftigere Gefühle entladen. So erweist sich dieser Drei-Paar-Film, in dem die jungen Leute reifer erscheinen als ihre Eltern, als eine Bestandsaufnahme, die nichts beschönigt, aber auch nicht unnötig dramatisiert und die so viel Humor wie möglich aus der verfahrenen Situation schlägt.
Kira Taszman

Kira_Taszman