Amour Fou: EINE JUGENDLIEBE von Mia Hansen-Løve

     |    Tuesday, der 31. March 2015  |     1

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Die erste Liebe ist immer die intensivste, sagt man. Bei Camille und Sullivan, die ihre Beziehung im Teenageralter beginnen, währt die Liebe über ihr offizielles Ende hinaus – und macht krank. Die Leidenschaft zweier Liebender, die nicht besonders zu einander passen, dafür aber umso heftiger füreinander empfinden, schildert Mia Hansen-Løve in EINE JUGENDLIEBE gewohnt beiläufig. Camilles extreme Emotionen stehen – über Jahre hinweg – im Fokus dieses sehenswerten Dramas, ebenso wie ihr allmähliches Erwachsenwerden.

Wie schon in DER VATER MEINER KINDER ist der Titel von Hansen-Løves Folgewerk und drittem Spielfilm EINE JUGENDLIEBE ein Understatement. Ging es in ersterem – er beruhte auf dem authentischen Fall von Humbert Balsan – um das tragische Schicksal eines Filmproduzenten, der Selbstmord begeht, schildert dieses Drama eine Liebe, die für Camille (Lola Créton) über ihre Teenagerzeit hinaus einen lebenswichtigen (und –bedrohlichen) Charakter hat.

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Ihren vier Jahre älteren Freund Sullivan (Sebastian Urzendowsky überzeugt sowohl schauspielerisch als auch auf Französisch) lernt sie als 15-Jährige kennen. Doch während sie ihre ganze Energie in die Beziehung wirft, fühlt er sich bald eingeengt und möchte mit einer mehrmonatigen Reise nach Lateinamerika auch andere Horizonte erschließen. Hingabe hier und Freiheitsdrang dort lassen die zur Fernliebe mutierte Beziehung schließlich verkümmern. Camille bezahlt dies mit Depressionen und einem Selbstmordversuch.

Auch hier verzichtet Hansen auf das Demonstrative und behandelt die Autoaggression bzw. ihre Folgen weitestgehend elliptisch, etwa wenn die Familie Camille im Krankenhaus besucht. Denn die emotionalen Narben ihrer Heldin sind tiefer und benötigen einen ganzen Film, um zu verheilen und dann wieder aufzubrechen. Hansen-Løves Erzählweise ist dabei sehr konkret, konzentriert sich mehr auf Handlungen und Momentaufnahmen denn auf Dialoge: etwa auf das Flirren des Sommers während des gemeinsamen Liebesaufenthaltes in der Ardèche, der mit Streitereien und Camilles Kummer über Sullivans Abreise kontrastiert. Jahre später wiederum fasst ein Architektur-Dozent den Gemütszustand der immer noch trauernden Camille treffend zusammen. Über ihr Modell urteilt er: „Das ist kein Studentenwohnheim, das ist ein Kloster!“

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Jahre braucht Camille, um wieder seelischen Boden unter den Füßen zu fassen, beginnt ein Verhältnis mit ihrem deutlich älteren, aber ausgeglichenen Architekturprofessor. Doch dann begegnet sie Sullivan wieder. Zunächst verlaufen ihre Begegnungen kalt, dann kehren die alte Leidenschaft und auch das Leiden zurück. Wie am Anfang ihrer (Jugend-)Liebe konzentrieren sie sich ganz auf ihre Zweisamkeit. Andere werden nicht in die Beziehung einbezogen – beim zweiten Mal, weil Camille nun offiziell mit einem Anderen liiert ist. Beide sind Protagonisten und Opfer einer Amour Fou; (Liebes-)Geschichte wiederholt sich.

Parallel dazu werden Subplots, etwa über die Trennung von Camilles Eltern angerissen, auch diese so beiläufig wie glaubwürdig. Das Ende von Camilles und Sullivans Liebe gibt womöglich am Besten ein Bild wieder: Ein Strohhut, den er ihr einst schenkte und den sie regelmäßig trägt, wird am Ende in ein Bächlein in der Ardèche geweht – und entgleitet auf Nimmerwiedersehen.

Kira Taszman

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